Schulangst und Schulabsentismus bei Kindern und Jugendlichen
Basierend auf Feldforschungen der Singularity Academy
Zhang Ying, Thorsten Roland
Veröffentlicht: 15. November 2024
ISSN: 2813-3641
Quelle: Zhang, Y., Thorsten, R. (2024). School Anxiety and Absenteeism in Children and Adolescents. Singularity Academy Frontier Review. 20241115.
Zusammenfassung
Schulangst und Schulversäumnisse sind dringende Probleme, von denen weltweit eine beträchtliche Anzahl von Kindern und Jugendlichen betroffen ist. Obwohl Schulen eigentlich Orte sein sollten, die das Lernen und die Sozialisierung fördern, werden sie für manche Schüler zu Quellen von Stress, Angst und emotionaler Belastung. Dieser Artikel untersucht die Ursachen und Auswirkungen von Schulangst und Schulversäumnissen, beleuchtet die Folgen dieser Probleme für das Wohlbefinden junger Menschen und skizziert therapeutische und präventive Maßnahmen, die zur Linderung dieser Probleme beitragen können.
Fallbericht: Eine klinische Beobachtung
Über einen Zeitraum von acht Wochen beobachteten wir in unserer stationären psychiatrischen Einrichtung einen 15-jährigen Jugendlichen, der seit 1,5 Jahren nicht mehr zur Schule gegangen war. Seine längere Abwesenheit von der Schule stand im Zusammenhang mit einer schweren Angst- und Panikstörung, die sich erstmals im schulischen Umfeld manifestiert hatte. Der Jugendliche zeigte typische Symptome einer Angststörung, darunter Herzrasen, Atemnot, Klaustrophobie und eine intensive Angst vor dem Tod, die ihn daran hinderten, zur Schule zu gehen. Zusätzlich zu diesen Symptomen litt er unter einer motorischen Tic-Störung, die sich in ausgeprägtem Blinzeln äußerte und seine soziale Angst weiter verstärkte. Er äußerte erhebliche Bedenken, von anderen beobachtet zu werden, was dazu beitrug, dass er soziale Situationen, einschließlich der Schule, mied.
Im Laufe der Behandlung wurde deutlich, dass seine Angst aufgrund fehlender geeigneter Maßnahmen sich verschlimmert hatte und zu einer Trennungsangst geführt hatte. Zum Zeitpunkt seiner Aufnahme war er vollständig auf die Pflege seiner Eltern angewiesen. So konnte er beispielsweise sein Zimmer oder die Klinik ohne die Anwesenheit seines Vaters nicht verlassen. Anfangs begleitete ihn sein Vater sogar innerhalb der Einrichtung. Durch hochfrequente therapeutische Interventionen, Psychoedukation, Verhaltensverstärkungspläne und die aktive Einbeziehung der Familie machte der Jugendliche erhebliche Fortschritte. Nach zwei Monaten konnte er ein gewisses Maß an Autonomie zurückgewinnen, z. B. die Klinik ohne Begleitung verlassen, selbstständig einkaufen, am Unterricht in der Klinik teilnehmen und soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen wieder aufbauen.
Zu Beginn des dritten Monats konnte der Jugendliche in Absprache mit der Schule zum ersten Mal seit 18 Monaten wieder am Unterricht teilnehmen. Wir empfehlen einen schrittweisen Wiedereingliederungsansatz, beginnend mit kurzen Schulbesuchen von beispielsweise 1–2 Stunden pro Tag, die je nach den Fortschritten des Schülers schrittweise verlängert werden. Dieser Fall ist bezeichnend für die häufigen Herausforderungen, denen Kinder und Jugendliche gegenüberstehen, die aufgrund einer Krankheit längere Zeit der Schule fernbleiben. Viele dieser Schüler, insbesondere seit Beginn der COVID-19-Pandemie, haben aufgrund der langen Isolation von ihren Gleichaltrigen mit erheblichen emotionalen und sozialen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Schulangst verstehen – Definition und Symptome
Schulangst bezeichnet eine überwältigende Angst oder Besorgnis vor dem Schulbesuch oder bestimmten schulbezogenen Situationen. Diese Angst äußert sich in verschiedenen Formen, darunter körperliche Symptome (z. B. Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit), emotionale Reaktionen (z. B. Weinen, sozialer Rückzug) und Verhaltensänderungen (z. B. Schulverweigerung, Vermeidung sozialer Interaktionen).
Häufige Auslöser von Schulangst
1. Akademischer Druck, einschließlich Angst vor Prüfungen oder schlechten Leistungen
2. Soziale Ängste, wie z. B. Angst vor Mobbing, Konflikten mit Gleichaltrigen oder Ausgrenzung
3. Schwierige Beziehungen zu Lehrern oder anderem Schulpersonal
4. Gefühle der Unzulänglichkeit oder des akademischen Versagens
Schulangst beschränkt sich nicht nur auf ein allgemeines Unbehagen gegenüber dem schulischen Umfeld, sondern kann auch mit bestimmten Situationen oder Interaktionen verbunden sein, wie z. B. bestimmten Lehrern, Klassen oder schulischen Aufgaben.
Arten von Schulangst
1. Allgemeine Schulangst: Eine weit verbreitete Angst vor der gesamten Schulerfahrung.
2. Spezifische schulbezogene Ängste: Gezielte Ängste vor bestimmten Aspekten des Schullebens, wie z. B. Prüfungen, Präsentationen oder Interaktionen mit bestimmten Lehrern.
Auswirkungen auf die akademische und emotionale Entwicklung
Die Auswirkungen von Schulangst sind tiefgreifend. Sie kann die schulischen Leistungen erheblich beeinträchtigen und zu Fehlzeiten, schlechteren Noten und in extremen Fällen zum Schulabbruch führen. Darüber hinaus leiden Schüler mit Schulangst häufig unter sozialer Isolation, was die Entwicklung wichtiger sozialer Kompetenzen beeinträchtigt. Wenn das Problem nicht angegangen wird, können auch emotionale Probleme wie Depressionen, geringes Selbstwertgefühl und anhaltende Ängste auftreten.
Definition von Schulabsentismus – Begriff und Kategorien
Schulabsentismus ist definiert als häufiges oder längeres Fernbleiben vom Unterricht ohne triftigen medizinischen oder legitimen Grund. Während gelegentliche Fehlzeiten ein normaler Teil der Kindheit sind, wird es problematisch, wenn Fehlzeiten unentschuldigt sind und chronisch werden.
Kategorien von Schulversäumnis
1. Schulschwänzen: Absichtliches Fernbleiben von der Schule, oft ohne Wissen der Eltern oder Erziehungsberechtigten.
2. Schulverweigerung: Fernbleiben von der Schule aufgrund von Ängsten oder psychischen Belastungen, in der Regel mit Wissen und manchmal auch unter Beteiligung der Eltern.
3. Versteckte Schulversäumnis: Anwesenheit in der Schule ohne aktive Teilnahme (z. B. Schüler, die zwar zur Schule kommen, aber den Unterricht meiden oder vorzeitig verlassen).
Schulversäumnis ist oft ein Symptom für tiefere emotionale und psychische Belastungen, zu denen Angststörungen, Depressionen oder soziale Schwierigkeiten gehören können. Das Verständnis der Ursachen von Schulversäumnis ist entscheidend für eine wirksame Intervention.
Ursachen für Schulangst und Schulversäumnis
Sowohl Schulangst als auch Schulversäumnis sind multifaktoriell und resultieren oft aus einem Zusammenspiel von individuellen, familiären, schulischen und gesellschaftlichen Faktoren.
1. Individuelle Faktoren: Persönliche Eigenschaften wie geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus oder Schwierigkeiten im Umgang mit Stress können die Anfälligkeit für Schulangst erhöhen. Darüber hinaus können einige Kinder bereits bestehende psychische Erkrankungen haben, wie z. B. eine generalisierte Angststörung, die im schulischen Umfeld ausgelöst oder verstärkt werden kann.
2. Familiäre Dynamik: Familiäre Faktoren wie übermäßige Bevormundung durch die Eltern, familiäre Konflikte oder mangelnde emotionale Unterstützung können zur Entwicklung von Schulangst beitragen. In einigen Fällen lernen Kinder möglicherweise maladaptive Bewältigungsstrategien von Eltern, die ebenfalls mit Ängsten zu kämpfen haben.
3. Schulische Faktoren: Leistungsdruck, das Gefühl, versagt zu haben, Mobbing und Konflikte mit Lehrern oder Mitschülern sind häufige Ursachen für Ängste bei Schülern. Ein negatives oder unfreundliches Schulklima kann Gefühle der Angst und Vermeidung verstärken.
4. Soziale und kulturelle Faktoren: Der zunehmende gesellschaftliche Leistungsdruck in der Schule, verbunden mit dem allgegenwärtigen Einfluss der sozialen Medien, kann das Gefühl der Unzulänglichkeit oder die Angst vor sozialer Ausgrenzung verstärken. Dieser Druck kann sowohl zu Schulangst als auch zu Fehlzeiten führen.
Auswirkungen von Schulangst und Fehlzeiten
Die Folgen von Schulangst und Fehlzeiten sind vielfältig und wirken sich auf verschiedene Aspekte der kindlichen Entwicklung aus.
1. Akademische Auswirkungen: Fehlzeiten in der Schule führen zu akademischen Defiziten, darunter Wissenslücken, schlechtere Noten und eine mangelnde Vorbereitung auf zukünftige Bildungsmöglichkeiten. Mit der Zeit kann dies zum Schulabbruch führen.
2. Soziale Auswirkungen: Sozialer Rückzug aufgrund von Ängsten kann zu Isolation führen und die Entwicklung wichtiger sozialer Kompetenzen beeinträchtigen. Beziehungen zu Gleichaltrigen sind für die emotionale Entwicklung von entscheidender Bedeutung, und eine längere Isolation kann zu einem Mangel an sozialer Kompetenz führen.
3. Psychologische Auswirkungen: Chronische Schulangst kann andere psychische Erkrankungen wie Depressionen, generalisierte Angstzustände und ein geringes Selbstwertgefühl hervorrufen oder verschlimmern. Sie kann auch zu einem Vermeidungszyklus führen, in dem die Angst des Kindes vor der Schule es daran hindert, am Unterricht teilzunehmen, was wiederum seine Angst verstärkt.
Interventionen und Lösungen
Frühzeitige Interventionen sind entscheidend für einen wirksamen Umgang mit Schulangst und Fehlzeiten. Die folgenden Ansätze haben sich als wirksam bei der Bewältigung dieser Probleme erwiesen:
Frühzeitige Intervention und Zusammenarbeit: Die rechtzeitige Erkennung von Schulangst ist von entscheidender Bedeutung. Lehrer, Eltern und psychologische Fachkräfte müssen zusammenarbeiten, um frühe Anzeichen von Angst und Fehlzeiten zu erkennen und so ein rasches Eingreifen zu ermöglichen.
Offene Kommunikation zwischen Eltern, Lehrern und Schülern: Eine regelmäßige und transparente Kommunikation kann dazu beitragen, zugrunde liegende Probleme zu erkennen und gemeinsame Strategien zur Bewältigung von Schulangst zu entwickeln.
Therapeutische Unterstützung: Psychologische Interventionen wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) haben sich bei der Behandlung von Schulangst als wirksam erwiesen. KVT hilft Kindern, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern und gesündere Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.
Schaffung eines unterstützenden Schulklimas: Schulen sollten vorrangig ein Umfeld schaffen, in dem sich die Schüler sicher, wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Anti-Mobbing-Programme, Sozialkompetenztraining und Schülerberatung sind wichtige Bestandteile dieses Ansatzes.
Schrittweise Wiedereingliederung: Für Schüler, die längere Zeit der Schule ferngeblieben sind, ist eine schrittweise Wiedereingliederung entscheidend. Dies kann bedeuten, dass sie zunächst nur für kurze Zeit zur Schule gehen und die Dauer langsam verlängert wird, wenn sich der Schüler wohler fühlt.
Fazit
Schulangst und Schulverweigerung stellen für das Wohlbefinden und den schulischen Erfolg vieler Kinder und Jugendlicher eine große Herausforderung dar. Die Bewältigung dieser Probleme erfordert einen vielschichtigen Ansatz, der eine frühzeitige Erkennung, wirksame therapeutische Maßnahmen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schulen und Fachleuten für psychische Gesundheit umfasst. Durch die Bereitstellung der notwendigen Unterstützung und die Schaffung eines positiven Schulklimas können wir Kindern helfen, ihre Ängste zu überwinden und sich wieder in das Schulleben zu integrieren, wodurch ihre schulische und emotionale Entwicklung gefördert wird.
Publiziert am: 24.06.2025